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Du hast dein Masterstudium fast abgeschlossen und entschieden dich an einem Opernstudio zu bewerben?
Sicher ist dir bewusst, dass sich, besonders auf die großen Studios, sehr viele Sänger:innen (und Pianist:innen) bewerben.
Das soll dich nicht von einer Bewerbung abhalten, ABER dir muss klar sein, dass allerhöchste Sorgfalt angebracht ist:
Die Tipps in diesem BLOG sind übrigens zum großen Teil aus den Rückmeldungen entstanden, die ich von den Menschen bekomme, die die Bewerbungen erhalten und auswerten dürfen/müssen.
LIES DIE AUSSCHREIBUNG GANZ GENAU!
Das mag selbstverständlich erscheinen, aber es scheint schwieriger zu sein, als man denkt. Öfter berichten mir Kolleg:innen von Anrufen oder Mails wie „Wie kann ich mich bewerben?“. Das schafft nicht etwa einen persönlichen Kontakt – das vermittelt lediglich den Eindruck, diese Person könne die Ausschreibung nicht lesen.
SCHICKE ALLE VERLANGTEN UNTERLAGEN AUF EINMAL
Auch das scheint selbstverständlich, Wenn 3 Videos verlangt sind, schicke nicht nur zwei und versprich das letzte nachzureichen. Man glaubt kaum, wie viele unvollständige Bewerbungen bei den Studios eingehen, die dann gleich im Papierkorb landen – bei 400-800 Bewerbungen hat niemand die Nerven oder die personellen Möglichkeiten, fehlende Unterlagen anzufordern.
SCHICK YOUTUBE- ODER VIMEO-LINKS UND KEINE VIDEO-DOWNLOADS
Es ist kein Hexenwerk, auf den Kanälen ein Video einzustellen, dass sich mit einem (bitte nicht zu komplizierten!) Passwort öffnen lässt. Downloads sind zu groß und sprengen die Server. Die Videos sollten nicht älter als ein Jahr sein.
Der „Trick“, wetransfer zu benutzen, damit man sieht, wann die Unterlagen heruntergeladen wurden, ist altbekannt und führt zu nichts.
SEI EHRLICH IM LEBENSLAUF
Also lüg nicht über dein Geburtsdatum – du musst sowieso den Pass vorlegen, wenn du den Job bekommst, oft auch schon mit der Bewerbung.
SCHREIBE EINE FREUNDLICHE, ABER KURZE MAIL, AUS DER MAN SIEHT, WELCHES STUDIO DU MEINST.
Vermeide hierbei Sätze, in denen das Verb „träumen“ vorkommt. („Schon immer habe ich davon geträumt, Sängerin zu werden“…)
ACHTE AUF DEN RICHTIGEN BETREFF DER MAIL:
Vorname, Name, Bewerbung OS.
Also schick nicht die Mail mit „Bewerbung Opernstudio Hamburger Staatsoper“ nach Berlin…
BITTE, SCHICK DEINE UNTERLAGEN NICHT ERST AM LETZTEN TAG
…weil es sein kann, dass da der Server zusammenbricht. Fang frühzeitig an deine Unterlagen zu sammeln, du benötigst fast überall die gleichen!
Ich weiß, ich klinge wie eine strenge alte Eule, aber wenn mir nicht die Kolleg:innen „in charge“ von den jährlichen Schwierigkeiten mit fehlenden, falschen oder zu alten Unterlagen berichten würden, wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen, diesen Blog-Beitrag zu schreiben.
(Diese Liste ist nicht vollständig, du findest sicher noch mehr Studios:))
Wie machst du deine Aufnahmen?
Du benötigst ein gutes Mikrophon. Das kann ein gutes Aufsteck-Mikro am Smartphone sein oder aber eine Kamera mit gutem integriertem Mikro. Solange du noch studierst: reserviere einen Termin im Tonstudio der Hochschule – am besten nicht erst im letzten Studienmonat! – und frage eine/n deiner Korrepetitor:innen, ob sie/er dich begleiten kann.
Meistens werden 2-3 Aufnahmen aus verschiedenen Zeitepochen verlangt, möglichst in unterschiedlichen Sprachen. Versuche, Arien mit unterschiedlichen Charakteren zu finden, also nicht nur langsame oder ausschließlich schnelle Werke.
Die Kamera-Einstellung kann die gerne Totale sein, damit man die ganze Person sieht.
Es muss kein filmisches Kunstwerk sein, aber ohne Schnitt (!) in den einzelnen Stücken und in super Tonqualität. (ich weiß, ich wiederhole mich!).
Die Intonation MUSS perfekt sein – (zu hoch ist hier nicht besser als zu tief btw.)
Die Videos sollen ausdrucksvoll sein: wisse, welche Emotion du in welchem Moment darstellen solltest/möchtest. Arbeite die Arien mit jemandem, der sich mit Auftrittstraining auskennt (Szeneprof .B.)
Beschrifte die Aufnahmen korrekt, also
- Komponist – Werk – Rolle – Arie
- Aufgenommen am:
- Begleitung: (es sei denn, der Pianist oder die Pianistin möchte nicht erwähnt werden)
Was gehört in den Lebenslauf?
Oben: in zwei Spalten:
- Foto (headshot) – freundlich und „normal“ (so, dass man dich wiedererkennt, falls du eingeladen wirst).
- Name, Nationalität, Fach (Sopran, Mezzo, Alt, Tenor, Bariton, Bass-Bariton, Bass), Post-Adresse, Mobilnummer, E-Mail-Adresse
Darunter:
- Auf der Bühne gesungene Rollen, gerne wo und wann dazuschreiben
- Wichtige (!) Konzerte
- Ausbildung: wo studiert, bei wem (wenn du bei erfolgreichen Lehrer:innen studiert hast, ist es ratsam, sie zu nennen)
- Wichtige Meisterkurse (nicht mehr als 5-6 aufzählen)
- Preise und Auszeichnungen
- Sonstiges: wenn du z.B. eine Sportart auf hohem Niveau betreibst oder betrieben hast, solltest du das erwähnen, ebenso die Instrumente, die du gut spielst/gespielt hast und eventuelle soziale Projekte
- Sprachen: welche Sprachen sprichst du?
Klassifiziere sie in Klassen von A1 – C2 oder
Muttersprache, fließend, gut, Grundkenntnisse - Schulische Ausbildung und was sonst erwähnenswert ist wie FSJ, Militärdienst, Austauschschuljahr o.ä.
Auf einem Extra-Blatt: Repertoire
Repertoire, das du in den nächsten Monaten singen könntest (nicht das, was du in zehn Jahren singen möchtest) alphabetisch geordnet nach Komponisten – Oper – Rolle.
Dieses Blatt ist optional, je nachdem, ob du schon aussagekräftige Rollen singen konntest oder nicht.
Viel Glück mit der Bewerbung! Wenn du Qualität zu bieten hast, wirst du es schaffen!
PS: Man MUSS übrigens nicht zwingend in einem Opernstudio anfangen; es ist genauso gut möglich an einem kleineren Opernhaus im Ensemble zu starten. Lies dazu den Blogbeitrag „Die Sache mit den Agenturen“
PPS: Sorry für den strengen Ton in diesem Artikel – es ist nur zu deinem Besten, der nächste wird wieder freundlicher, versprochen:)
bis bald,
hedwig
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